Nicht nur Kandidierende werden bei der Vorbereitung einer eidgenössischen Medizinalprüfung herausgefordert. Denn bevor MC-Fragen prüfungsreif sind, durchlaufen sie zahlreiche Begutachtungs- und Korrekturetappen.

Im schriftlichen Teil der eidgenössischen Medizinalprüfungen geht es primär darum, das im Studium erworbene Grundwissen und kein hoch spezialisiertes Fachwissen zu erfragen. Weiterhin soll sichergestellt werden, dass das geprüfte Wissen in allen Fakultäten tatsächlich gelehrt wird. Wenn z.B. eine MC-Frage der eidgenössischen Prüfung Humanmedizin von einem Zürcher Experten verfasst wird, muss geprüft werden, ob die Studierenden aus Genf, Basel, Lausanne und Bern sie auch beantworten können.

Die inhaltliche Arbeit läuft auf drei Ebenen:

  • zuerst werden die Fragen von Fachexpertinnen/-experten der unterschiedlichen Fakultäten verfasst,
  • dann werden sie im Rahmen von fakultätsübergreifenden, fachspezifischen Expertengruppen diskutiert und überarbeitet,
  • schliesslich werden sie von einem nationalen Review Board (bestehend aus Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen) begutachtet und wo nötig erneut überarbeitet.

Die Abteilung für Assessment und Evaluation (AAE) unterstützt diesen Prozess methodisch und organisatorisch.

Über den Inhalt hinaus werden Prüfungsfragen sprachlich-formal revidiert. Die AAE erstellt dabei Vorschläge zum Vermeiden etwaiger Lösungshinweise (sogenannte „cues“), zum Eliminieren überflüssiger Informationen sowie zum Vereinheitlichen von Formulierungen und vergleicht alle Sprachversionen (meist Deutsch und Französisch) systematisch. So werden Prüfungsfragen „rund“. Alle Kandidaten sollen die Fragen gleich verstehen. Die Fragen sollen nicht das Kombinationsvermögen der Studierenden prüfen, sondern in erster Linie ihr Wissen und ihre medizinischen Kompetenzen.

 

 

Das folgende Beispiel zeigt, wie eine MC-Frage konkret verbessert wird.

Ziel: Gute Messzuverlässigkeit (Reliabilität) durch eindeutig, prägnant und einfach formulierte MC-Fragen

Originalfrage

Unsere tägliche Nahrung muss eine Reihe von Substanzen enthalten (teilweise in nur sehr geringen Mengen), die in unserem Körper nicht aus anderen Nahrungsbestandteilen synthetisiert werden können.

Zu den Stoffen, die in unserer Nahrung nicht völlig fehlen dürfen, ohne dass Mangelerscheinungen auftreten, gehören folgende Stoffe, ausser:

(A) Vitamine (vor allem Vitamine A, B, C und D)

(B) Spurenelemente (vor allem Eisen, Magnesium, Kupfer)

(C) bestimmte Fette (essentielle Fettsäuren)

(D) Eiweiss (essentielle Aminosäuren)

(E) raffinierter Zucker

Lösung: E

Revisionskommentar

Frage: Erster Satz ist unnötig (Belehrung); 'in sehr geringen Mengen' gibt zudem einen Hinweis, dass B 'Spurenelemente' nicht fehlen dürfen. Zweiter Satz ist sehr verwirrend formuliert (doppelte bis dreifache Negation).

Antworten: Erläuterungen in Klammern machen klar, dass die entsprechenden Substanzen nicht fehlen dürfen = so genannte cues (Lösungshinweise), z.B. der Begriff 'essentiell' bei C und D.

Verbesserungsvorschlag

Welcher der folgenden Stoffe kann in unserer Nahrung völlig fehlen, ohne dass Mangelerscheinungen auftreten?

(A) Vitamin D

(B) Eisen

(C) Fett

(D) Eiweiss

(E) Traubenzucker

Lösung: E

Die Frage ist auf das Notwendige beschränkt und positiv formuliert. Bei den Antworten ist die Attraktivität der richtigen resp. Unattraktivität der falschen Antworten reduziert, z.B. durch Wahl eines entsprechenden Vertreters einer Gruppe (Vitamin D) oder Ersatz von 'raffinierter Zucker' durch 'Traubenzucker'.


Iml personen aae

Dr. med. Patrick Jucker-Kupper Bereichsleiter Schriftliches Assessment

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